Als Ninette ihr Smartphone herauskramte hatte Cierra gerade etwas verträumt aus dem Fenster geschaut und sich über ihren Sitzplatz gefreut. Manchmal bekam man ja gar keinen und dieses Jahr hatten sie sich als Siebtklässler und eine der ersten das beste Abteil gesichert. Es hatte weniger abgenutzte Sitze, war am weitesten vorne von allen und hatte genau vier Plätze, passend für Sie, Ninette, Max und Nick. Ihre Freunde ließen sich zwar noch etwas Zeit, aber solange konnten die beiden besten Freundinnen auch noch ihre Ruhe genießen.
Ninette öffnete sofort ihre Kamara-App, klar. Seit ihre Zuschauer herausgefunden hatten, dass die beiden Mädchen befreundet waren, verlangten sie dauernd gemeinsame Fotos und liketen diese dann zu Tode. Es war ein echter Spaß, denen beim "Shippen" zuzuschauen. C blickte also entspannt zu Seite während ihre Freundin das Foto aufnahm und nickte es dann ab, für den ersten Versuch hatten sie ein echt Gutes gemacht.
"Stimmt, das war eine Zeit!" Sie grinste Ninette zu als verschiedenste Erinnerungen an ihren gemeinsamen Urlaub an ihrem inneren Auge vorbeizogen. In der Hinsicht war der Schulstart eher traurig, aber ihre Freude auf das Lernen überwog. Außerdem verfolgte sie das Ziel, ihre bereits ganz gut ausgereiften Italienisch-Kenntnisse aus zwei Urlauben so weit zu vertiefen, dass es an ihr Russisch herankam. "Aber keine Sorge, wir werden uns dieses letzte Schuljahr nochmal richtig episch machen!" versprach sie und nickte verdeutlichend. Sie hatte noch nie viel Extra-Zeit zum Auswendiglernen oder Aufsatzschreiben benötigt, deshalb konnten sie so viel unternehmen wie sie wollten. Und gelegentlich half sie auch Max und Nick dabei, ihre beste Freundin war selber schnell wie der Blitz. Wenn man ein Ziel vor Augen hatte ging alles schneller.
"Je ne peux pas aller mal avec toi." fügte sie noch auf Französisch hinzu, da diese eine ihrer Lieblingssprachen war und zudem so eine Art Geheimsprache zwischen ihr und Ninette, schließlich war die 17jährige gebürtige Franzosin. Sie lernten sich kennen als Cierra mit acht Jahren gerade mal zwei Monate in Paris lebte und erst, für ihre Verhältnisse, wenige Sprachkenntnisse hatte. Auch damit hatte ihre beste Freundin ihr geholfen und C war sehr traurig gewesen, als sie nach Berlin umgezogen waren. Zum Glück hatten sie den Kontakt nicht verloren, sonst wäre vieles in ihrem Leben anders gelaufen.

Die Französin erwiderte das Grinsen ihrer Freundin, harkte sich bei ihr unter und legte ihren Kopf an Cierras Schulter ab. Das Vibrieren ihres Smartphones, das sie bereits weggesteckt hatte, ignorierte sie, schließlich müsste es eh nicht mehr lange dauern, bis die Vibration aufgrund der enormen Anzahl an Like-Benachrichtigungen automatisch aufhören würde. Es müsste nur noch wenige Sekunden dauern, bis der Hashtag Cienette wieder die sozialen Netzwerke regieren würde. "Wenn wir grad über Rom sprechen...", fiel dem Model auf, während sie einen Augenblick mit den Fingern ihrer freien Hand an der Leggins herumzupfte, welche sie trug, "meine Mom führt dort in den Herbstferien ihre neue Kollektion vor. Und wer wäre ich, wenn ich mir ihre Fashionshow nicht ansehe!" Eine spielerische, eitle Handbewegung unterstrich die Aussage der Viertelveela, ehe sie melodisch auflachte. Sie tat gerne einen auf eitles, reiches Gör, das alles bekam, was sie wollte - was jedoch keineswegs die Grundzüge ihres Charakters ausmachten. Es glich vielmehr einem Spaß, Selbsthumor, den sie mit solchen Aussagen, Gestiken und Mimiken darstellte. Immerhin hatte sie sich einiges alleine erkämpfen müssen; Erfolg kam nicht ohne die erbrachte Leistung. Worauf Ninette allerdings anspielen wollte, war schlichtweg der Gedanke, dass Cierra sie doch begleiten könnte! So oft, wie sie das schon gemacht hatten, war es sowieso kein Wunder mehr, wenn sie zu Zweit auf Fashionshows gesichtet wurden. Der Öffentlichkeit war die enge Freundschaft der Beiden mehr als nur bekannt - den meisten war klar, wie nahe sich das Brownie und Blondie standen. Ninette grinste vielversprechend zu Cierra hoch und knuffte ihr in die Seite. "Also, besorg dir ein schickes Outfit und wir fliegen zusammen."
Zufrieden löste sich die Brünette wieder von ihrer besten Freundin, schlug eines ihrer Beine elegant über das andere und zog sich die Sonnenbrille vom Kopf, die sie bis gerade eben noch aufgehabt hatte. "Oh ja, wir werden unser letztes Jahr rocken. Darauf kannst du Gift nehmen." Sie sah es schon vor sich: Awkward Momente im Unterricht, Soulmatepower bei Gruppenarbeiten, Hausgemeinschaftsparties. Es würde noch vieles auf die Beiden warten, was sie crashen könnten. Ein bezauberndes, feines Lächeln umspielte ihre Lippen bei den Worten des Blondschopfes, die sie auf französisch an sie gerichtet hatte. "Jamais, mon coeur." Sie liebte es, dass sie sich auf ihrer Muttersprache unterhalten konnte; da fühlte sie sich Frankreich immer wieder ein kleines Stückchen näher.

Cierra's Gedanke wurde nur ein paar Sekunden später bestätigt, indem Ninette's Handy nicht mehr aufhören wollte zu vibrieren. Eine Art Glücksgefühl durch die ganze Aufmerksamkeit durchströmte ihren Körper und war Balsam für ihr Ego. Schließlich gab es nichts einfacheres als mit seiner eh schon besten Freundin ein Foto aufzunehmen. Das einzige Paar, das noch mehr Aufmerksamkeit erlangte waren eindeutig Clement und Ninette, aber das hatte aus ihrer Sicht immer noch eine bittere Note dadurch, dass sie ja eigentlich gar nicht zusammen waren. Manchmal war dieses ganze Star-Universum ganz schön verwirrend, also vergaß Cierra das Thema lieber gleichzeitig mit dem Stopp der Vibrationen aufgrund der bereits zu großen Anzahl an Benachrichtigungen.
Stattdessen fuhr Mina fort, indem sie von der nächsten Fashionshow ihrer Mutter sprach. Cierra stimmte in ihr Lachen ein, schließlich kannte sie die Angewohnheit ihrer besten Freundin, zu jeder passenden Gelegenheit aus dem Unterricht zu verschwinden. Früher hätte C so etwas nie mitgemacht, aber seit ihrem Wandel in der fünften Klasse brauchte sie kaum noch gefragt zu werden. "Stimmt, du würdest noch die Familienehre verletzen." fügte sie hinzu und nickte bedeutungsvoll, obwohl beide Mädchen natürlich wussten, dass sie übertrieben. Vor allem Ninette hatte es perfektioniert, sich wie ein reiches verwühntes Kind aufzuführen, dabei war sie eigentlich immer deutlich liebenswürdiger. "Klar Süße, wozu sollte ich denn sonst in den Ferien meine Kreditkarte glühen lassen? Ich bin dafür geboren!" erklärte sie kichernd und stellte sich schonmal vor, was sie tragen wollte. Sie hatte echt mal wieder viel zu viel eingekauft, aber seit es das Budget zuließ... "Dafür musst du mich aber modisch beraten, Miss Supermodel." fügte sie noch hinzu. Sie selber irrte sich eigentlich nie was Mode anging, aber ihre beste Freundin hatte einfach noch mal einen viel besseren Blick darauf und brachte sie dazu, mal etwas gewagteres zu machen als immer nur das was den Leuten gefiel. Risiko war nicht so ihre Sache, noch nie.
Trotzdem mussten sie ja auch das letzte Schuljahr noch überstehen und deshalb war sie mehr als froh, dass Ninette dabei ihrer Meinung war. "Irgendwie kann man sich gar nicht mehr vorstellen, NICHT mehr zur Schule zu gehen..." überlegte C etwas lauter als gedacht. Aber was sollte es, Ninette kannte sie eh schon seit 9 Jahre und damit jede einzelne Seite der Ravenclaw. gegenüber ihr musste sie sich nicht optimistischer geben als sie war.
Cierra sah die Freude auf dem Gesicht ihrer Freundin als sie Französisch sprechen konnte. etwas melancholisch musste sie daran denken, wie die Beiden sich erst vor kurzem ihr Freundschaftstattoo hatten stechen lassen. Alle waren ausgerastet, postiv und negativ, aber letzteres vor allem ihre Mutter. Als sie sich zu Ninette umdrehen wollte bemerkte sie ein Ziehen an der Kopfhaut, woraufhin sie, immernoch im Französisch-Modus laut vor sich hin schimpfte. "Merde! Ces lunettes de soleil imbéciles!" Unter einer Menge Feinarbeit konnte sie ihre Sonnenbrille aus ihren Haaren entfernen, aber das entschädigte sie immer noch nicht dafür, dass sie mit diese Dingern schon fast alle ihre Haare zerstört hatte. "Tu dois m'enseigner comment vous portez les lunettes..." fügte sie noch genervt hinzu, angesichts der Leichtigkeit, mit der Ninette ihre Sonnenbrille gerade aufgesetzt hatte. Okay, vielleich waren Hut und Sonnenbrille auch eine sehr unschlaue Kombination für sie.

Die Familienehre verletzen. Nine kicherte in sich hinein; Cierras Humor für sowas ergänzte sich einfach perfekt mit ihrem eigenen. Abgesehen davon, dass das ein Scherz gewesen war, könnte ihre Freundin dabei gar nicht so falsch liegen. Welche Großmäuler an Journalisten würden es nicht als gewonnenes Fressnäpfchen sehen, wenn Mignonette Steinfeld die Fashionshow ihrer Mutter verpasste. Eine Welle der Empörung würde die Reihen der Klatsch & Tratsch Zeitschriften mit ihrer Gunst zur Aufmerksamkeit überschwemmen. Auch wenn Nine die Aufmerksamkeit der meisten Anwesenden sicherlich wieder mit ihrem Outfit für sich gewinnen würde, so wie jedes Mal. Das war es, worauf die Paparazzi so gerne ansprang. Besonders, sobald die junge Französin in Begleitung war - wobei es sich nicht selten um Cierra Donovan handelte. Jedoch war es auch schon des Öfteren vorgekommen, dass sie sich mit ihrer gesamten Clique hatte blicken lassen, weshalb den meisten Nines Freundschaftskreis bekannt war. Im Vordergrund als Begleitung standen allerdings eher ihr Pseudo-Boyfriend Clément, und ihr zauberhafter Blondschopf Cece. Bei genau diesem Thema angelangt, lachte Mignonette erneut entzückt auf und lächelte ihre Gegenspielerin vorhabend an. "Das wollte ich von dir hören, chérie. Und auf meine 1A Modeberatung kannst du dich schon freuen." Dass die Brünette als Model dafür bekannt war, etwas gewagter in die Öffentlichkeit zu treten, war klar - allerdings beherrschte sie die Modekunst der edlen Provokation, sodass ihre Outfits immer etwas an sich hatten, die einem keine Mängel oder Kritik übrig lassen konnten. Natürlich hatte Nine ihre eigenen Modeberater, mit denen sie es sich zusammen aussuchte, aber wer davon ausging, dass sie nicht selbst entscheiden würde, der hatte sich gewaltig geschnitten.
Nachdem sie sich wieder aufrecht hingesetzt hatte, bekam sie die lauten Gedanken der Donovan mit. Ihre Lippen formten sich zu einem schmalen Lächeln, während sie dabei war, sich ihre Sonnenbrille feinfühlig aus den Haaren zu ziehen. "Ich weiß, verrückt oder? Man kennt es irgendwie nicht mehr anders", ging sie drauf ein und zog aus ihrem kleinen, modischen Rucksack neben sich ein Brillentuch heraus. Feinsäuberlich fing sie an, die verdunkelten Gläser von Fingerabdrücken zu befreien, bevor das französische Fluchen ihre Ohren erreicht hatte. Mit einem überraschten Ausdruck sah sie ihre Freundin an, bevor sie sich zu einem niedlichen Lachen hinreißen ließ. Bei Cierras vollem, blonden Haar war es kein Wunder, dass sich ein paar Dinge darin verharken konnten. "Calme-toi, ces sont des problèmes typiques d'une model.", entgegnete sie, ließ das Tuch wieder verschwinden und drehte sich im Sitzen so, dass sie Cierra direkt gegenüber saß. "Alors, léçon 1: Fais attention avec les arcs là", sie fuhr mit ihrem Zeigefinger über die Metallbügel der Sonnenbrille, "et quand tu veux mettre tes lunettes, essaie de faire cela en regardant completement cool." Um ihren Worten den nötigen Feinschliff zu geben, setzte sie sich die Sonnenbrille mit der höchsten Coolness auf, die sie vorspielen konnte. Und als sie dies vollendet hatte, brach sie in ein herzliches Gekicher aus.

Nachdem Cierra das mit der Familienehre gesagt hatte blickte sie eine Weile auf Nini's hübsches Gesicht und fragte sich, was diese sich in dem Moment wohl gerade dachte. Aber sie nahm an, dass es ihren Gedanken ganz ähnlich war, denn während der ganzen Jahre hatten sich die Beiden mehr als alles andere an einander angepasst. Vermutlich schlugen sogar ihre Herzen im gleichen Takt, außer natürlich wenn Nick im Raum war. Egal wie er sich die letzten paar Monate verhalten hatte, egal was er gesagt hatte, Cece konnte ihren Blick nicht von ihm lassen. Obwohl sie mittlerweile schon seit längerem ganz gerne und oft flirtete und auch eine ganze Menge männlicher Fans hatte, war der 18jährige ihre erste und einzige große Liebe. Außer Lakritz natürlich und ihrem Lieblingspferd Bella. In sofern kannte sie sich aber auch kein Stückchen mit echten Beziehungen aus, vielleicht waren sie und Nick deshalb auch dauernd wieder voneinander getrennt. Und ihre beste Freundin konnte ihr in dieser einen Sache auch nicht wirklich helfen, obwohl sie immer C's erste Ansprechpartnerin war. Nur ihre Beziehung war komplizierter als Cierra's.
Freudig lächelte sie, als Ninette ihr ihre Hilfe zusagte. "Glaub mir, das werde ich. Wahrscheinlich habe ich schon morgen keine Lust mehr auf die Schuluniform. Die werde ich eindeutig nicht vermissen!" erklärte sie. Klar trug sie mit Stolz die Farben ihres Hauses, zu dem sie loyaler war als zu vielem anderen. Schließlich war ihr Patronus das Schutztier der Ravenclaws... Aber die Roben fand sie einfach nur unpraktisch und nervig. Sie war keine Modedesignerin so wie Max, aber sie könnte selbst im Schlaf eine bessere Uniform entwerfen.
Auf Ninette's Worte hin beruhigte sich Cierra wieder ein bisschen, aber sie war immernoch wütend auf die doofe Brillenindustrie. Vor allem in Verbindung mit ihren Haaren. "Merci prof. Mais peut-être tout est simplement Karma parce que j'ai volé ces lunettes." fügte sie schon fast belanglos klingend hinzu. Ja, sie hatte in den Ferien hundert Mal genug Geld gehabt um die Sonnenbrille zu kaufen und trotzdem hatte sie sich ein Abenteuer daraus gemacht, erst den Verkäufer zu bezirzen und sie dann zu stehlen. Eigentlich glaubte sie ja nicht an Karma, aber diese Sonnenbrille hatte definitiv ein eigenes Bewusstsein. "Et maintenant, je sais pourquoi tu es tellement cool!" stellte sie noch fest und zwinkerte ihrer besten Freundin zu als hätte sie gerade das ultimative Geheimnis geknackt, dabei wollte sie Nini einfach ein Kompliment machen.


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Edit: Habe seit einem Jahr kein Französisch mehr und gerade festgestellt, dass ich noch ganze 10 Worte kann. Das Internet lebe hoch!

First Post.

Max schob die Abteiltüre auf und blickte auf die Französischsprechenden Mädchen herab, setzte ihren allerfeinsten Blick auf, drehte ihr Handgelenk schräg nach oben, die andere Hand an ihre Hüfte und lächelte charmant.
"Je suis- Baguette, et puis- e Croissant. Scheiß Sprache, Hallo." Sie ließ ihre Hand wieder grinsend sinken und warf ihren beiden Freundinnen eine übertriebene Kusshand zu.
"Isch, 'offe i'r 'abt misch seehr vermischt?",fragte sie in ihrem allerfeinsten französischen Akzent und lachte befreiend auf. "Ich habe es jedenfalls." Die blondine ließ sich gegenüber von Migonette fallen und musterte die beiden. "Und wo sind unsere, nein sorry, eure männlichen Begleiter?" Wobei sie die unerhoffte Hoffnung in sich trug das Clément den Zug verpasst hatte, dann hätte sie vor diesem Schlappschwanz die ganze Fahrt ruhe.